Gute Beziehungen in die Nachbarschaft ist für die Sicherheit von Gebetsräumen sowie für das Sicherheitsgefühl der Gläubigen nicht zu unterschätzen. Unter dem Titel „Community Involvement and Awareness in the Jewish, Christian and Muslim Tradition” (Bürgerschaftliches Engagement und Bewusstseinsbildung in der jüdischen, christlichen und muslimischen Tradition) hat unsere spanische Partnerorganisation Arco Forum im Rahmen unseres gemeinsamen, von der EU geförderten Projekts PROTONE zu einem Symposium nach Madrid eingeladen.
Gebetsstätten befinden sich immer in einem Umfeld, das sie entweder unterstützt oder bedroht, betonte der Theologe Paul Weller von der Oxford University. Wenn man über die Sicherheit von Kirchen, Synagogen oder Moscheen nachdenke, müsse die Nachbarschaft immer mitbedacht werden. Historisch gesehen ist es eher die Ausnahme, dass religiöse Minderheiten von der Nachbarschaft toleriert wurden. Aus dieser historischen Unterdrückung von Gotteshäusern leitet Weller daher eine Verantwortung religiöser und politischer Führungspersonen ab, religiöse Diversität zu schützen und zu fördern.
In einem der folgenden Podien forderte der Staatskirchenrechtler José Maria Contreras Mazarío einen gemeinsamen rechtlichen Rahmen für alle Religionen. Dialog solle nicht nur zwischen den Religionen, sondern auch zwischen Religionen und dem Staat stattfinden. Mazarío sieht die Sicherheit von Gebetsräumen aus rechtlicher Perspektive als zentrales Thema der Religionsfreiheit. Ohne sicheres Umfeld ist eine freie Religionsausübung nicht möglich. Irene Trebeschi von der Universität Leiden stellte die empirischen Ergebnisse der Forschung aus dem PROTONE-Projekt vor.
Das Forschungsteam hat 43 Interviews mit religiösen Führungspersonen in Madrid, Rom, Brüssel und Berlin sowie zwölf Experteninterviews mit Sicherheitsexperten und fünf Gruppeninterviews mit Gläubigen geführt. Es stellte sich heraus, dass jüdische Gemeinden den höchsten Sicherheitsstandard haben. Kirchen stehen im Normalfall allen offen, während die Sicherheit in Synagogen und in geringerem Maße auch in Moscheen dadurch gewährleistet wird, dass die Gemeindeleitung einen Überblick darüber hat, wer vor Ort ist. Insgesamt formulierten die Religionsführer einen Bedarf nach mehr Sicherheitskompetenz in ihren Gemeinden.
Francisco Manuel Arriaga Rodríguez von der Polizei in Murcia berichtete von polizeilichen Kooperationen mit den Religionsgemeinschaften. Er verfolge einen proaktiven, nicht reaktiven Ansatz zum Schutz von Gebetsräumen. Er stellte dar, dass die Polizei fortwährend im Gespräch mit Religionsgemeinschaften sei. Für die Polizistinnen und Polizisten gäbe es Awareness-Trainings zum Thema Kultursensibilität. Trotzdem berichtete er von teils großer Skepsis der Religionsgemeinschaften gegenüber der Polizei.
Mit Blick auf muslimische Gemeinschaften hob Arnold Mol, Islamwissenschaftler an der Universität Leiden, am Beispiel der Niederlande hervor, dass Muslime unter Generalverdacht stünden. Oft fühlten sie sich daher genötigt, sich in der Öffentlichkeit vollständig zu exponieren. Denn im Privaten ausgeübt, erweckt der Islam Misstrauen seitens der christlich-säkularen Mehrheitsgesellschaft.
Anders sieht es für die jüdische Gemeinschaft aus. Dort, wo das Judentum sichtbar wird, erfahren dessen Angehörige Repressionen, sagte Antonio Merino von der jüdischen Gemeinde Masorti Bet-El in Madrid. Die Unsichtbarkeit sei gleichzeitig Schutz. Diese Erfahrungen haben jüdische Menschen selbst in zivilgesellschaftlichen Initiativen wie der Pride-Bewegung oder auf feministischen Demonstrationen gemacht. Immer wieder komme es auch dort zu antisemitischer Diskriminierung, ergänzte Uriel Perugia, Direktor der Union of the Italian Jewish Communities.
Gerade in Spanien sind nach Ansicht von Alfredo Abad, protestantischer Pastor und Präsident der Kommission der spanischen evangelischen Kirche, religiöse Minderheiten Teil der Identität Spaniens. Als solche müssten sie wertgeschätzt werden. So ist zum Beispiel bis heute die einstige islamische Herrschaft in der Architektur Spaniens zu erkennen.
Das verbindende, friedensstiftende Potential von Religionen muss hervorgehoben warden. Darüber bestand Einigkeit auf der Konferenz. Positive Aspekte müssten starker in die Öffentlichkeit gebracht werden, sagte Saif El Islam Bennabdennour, Präsident des Abraham Forum for Interreligious and Intercultural Dialogue in Madrid. So könne dem negativen Bild, das von Religion oft gezeichnet wird, entgegengewirkt werden.
Den Abschluss des Symposiums bildete ein Konzert des interreligiösen Orchesters JOIRE in der Basilika St. Franziskus.