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Sonntag, 3. Juli 2022

Predigt zu Antisemitismus auf Documenta

Collective Thoughts: Das House of One auf der Gedankenwand der "documenta 15" m Museum Fridericianum in Kassel.
Die "documenta 15" in Kassel ist überschattet von der Debatte über antisemitische Darstellungen auf einem zentralen, inzwischen entfernten Kunstwerk.

Eine ernste Auseinandersetzung über das jüngste Beispiel einer antisemitischen Provokation in Deutschland mahnt Gregor Hohberg an. Der evangelische Geistliche und Mitgründer des House of One hat im Rahmen der Kasseler Gottesdienstreihe "Gott in der Stadt" am Sonntag in der dortigen Martinskirche gesprochen. Im Mittelpunkt der Reihe "Gott in der Stadt" steht die Suche nach Spuren Gottes in der Stadt. Aktuell bestimmt allerdings vor allem die Antisemitismus-Debatte rund um die "Documenta fifteen" in Kassel die Wahrnehmung der Kunstsschau und war daher auch Thema von Hohbergs Predigt.

Hohberg verbindet sein Plädoyer für mehr Dialog und mehr Austausch mit dem Wunsch, solche menschenfeindlichen Sichtweisen letztendlich überwinden zu können.

Das indonesische Künstlerkollektiv Taring Padi hat nach Ansicht Hohbergs zwei finster dargestellte, jüdische Gestalten nicht zufällig in ihr monumentales Wimmelbild gestreut. "Das lässt sich leicht feststellen." Vielmehr haben die Künstler in ihrem inzwischen abgehängten Werk Juden eine zentrale Rolle in ihrer düsteren Ideologie zugewiesen. Diese lautet: Juden sind schuld am Elend dieser Welt.

 

"Finstere antisemitische Weltsicht"

 

"Damit offenbaren sie eine finstere antisemitische Weltsicht", sagte Hohberg. Der Abbau des Bildes allein würde allerdings ebensowenig an dieser Weltsicht ändern, wie oberflächliche Entschuldigungen. "Gefragt ist ein ehrliches offenes Gespräch, ein Gespräch, das im besten Fall zu Einsicht und Haltungsänderung führt." Die Predigt in der Kasseler Kirche kann sicher ein Teil einer solchen Auseinandersetzung sein. Sie ist zumindest ein Angebot und Aufruf an die indonesischen Künstler, daran teilzunehmen. Denn verwunderlich ist es schon, so Hohberg, dass eine Auseinandersetzung bislang noch nicht stattgefunden hat. Immerhin gibt es dieses Werk seit ungefähr 20 Jahren.

Was denken die Künstler wirklich über Juden? Wie sind sie zu ihrer Haltung gekommen? Verstehen sie, warum und wie sie Jüdinnen und Juden in Deutschland und weltweit verletzt haben? Das sind Fragen, die sich nicht nur die Künstler, Kuratoren und die Verantwortlichen der Documenta stellen müssten. Vielmehr ist darüber hinaus auch jede und jeder einzelne aufgefordert, sich zu fragen: Erkenne ich meine eigenen blinden Flecken, wenn ich mich über das Bild empöre?  Hatten nicht zuletzt die lückenhafte Aufklärung der Mordserie des NSU oder der Mord an Regierungspräsident Walther Lübcke, ebenfalls in Kassel, antisemitische Verschwörungsideologien aufgedeckt?  Hängen nicht einer aktuellen Umfrage zufolge jeder fünfte Erwachsene und jeder dritte Jugendliche antisemitischem Gedanken an?

Pfarrer Hohberg: "Wir sollten das ehrliche Gespräch suchen. Es kann, wenn ich meine dunklen Seiten genauso ernst nehme wie die guten der Anderen, mich und die Anderen verändern, kann uns gemeinsam weiterbringen, kann Antisemitismus zurückdrängen."

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