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Montag, 8. Mai 2023

Wir trauern um Barbara Witting

Barbara Witting, die sich von Anfang an für das House of One und bis zuletzt auch im Stiftungsrat engagiert hat, ist verstorben.  Rabbiner Andreas Nachama hat am Montag (8. Mai 2023) die Trauerrede auf dem Jüdischen Friedhof in Weißensee in Berlin gehalten, die wir hier zur Verfügung stellen:

 

Barbara Witting hat verfügt, dass auf ihrem Grabstein das Wort „Mut“ stehen soll. Und so stelle ich über diesen Versuch, Barbaras Leben zu umreißen, den berühmten Satz Joshuas 1,9:

„Ich gebiete Dir also stark und fest zu sein

Sei mutig, - wörtlich zage nicht -

und sei nicht bange,

denn mit Dir ist der Ewige, Dein Gott, überall, wo Du gehest.“

 

Barbara ist bis 1955 in Santa Barbara in Kalifornien als Kind eines amerikanisch-jüdischen Soldaten und einer Jüdin, die im Untergrund überlebt hatte, aufgewachsen. Auf wundersame Weise hatten beide Eltern die Shoa überlebt und nach der Befreiung wieder zueinander gefunden.  Sie hatten sich schon Ende der 1930er Jahre in Bochum kennengelernt. Beide konnten wegen der NS-Rassengesetze die Schule nicht mehr besuchen.
 

Ab 1955 war Barbara bis zum Jahr 2002 – das war ihr Arbeitsbeginn an der Jüdischen Oberschule in Berlin -  in Nordrhein-Westfalen.

In Stichworten zusammengefasst:

Schule,

Oberschule,

Abitur.

Und in Barbaras eigenen Worten:

„Ein jüdisches Selbstbewußtsein habe ich in der Schulzeit überhaupt nicht entwickeln können. Ich war die einzige jüdische Schülerin.“

Es folgte ihr Studium

Englisch, Sozialwissenschaften und Psychologie.

Alles in NRW

Und sie wurde Lehrerin. Lehrerin war ihr Traumberuf.

Auf einer Party des Instituts für Bankrecht der Uni Köln traf sie Werner. Barbara ließ ihm einen Zettel zukommen, auf dem Stand: „Fräulein Reinhaus bittet um Anruf.“

Am 28. Februar 1975 heirateten die beiden – obwohl der Aufzug im Standesamt steckengeblieben war.

Zwei Kinder -  Susanne und Stephanie  - sind aus dieser Ehe hervorgegangen. Beide Töchter mit ihren Frauen sind heute selbstverständlich hier. Sie haben sich rührend um Barbara seit ihrer schweren Erkrankung gekümmert.  –  Das kann ich übrigens aus eigenem Erleben bezeugen: auch in den letzten Wochen im Hospiz haben sie dafür gesorgt, dass die Fingernägel so sorgfältig wie immer manikürt waren und dass Barbara in ihrer äußeren Erscheinung so sorgfältig und gepflegt wie immer auftreten konnte.

Wie mir Susanne und Stephanie aus einem Mund versicherten, war Barbara als Mame  „wundervoll“. Ganz selbstverständlich hat sie ihre Töchter zum Tennis und Reiten gebracht – und ja, in einer besonderen Diaspora die beiden Kinder mit jüdischen Traditionen vertraut gemacht. Sie ist mit ihnen in die Synagoge gegangen und hat, solange die jüdische Oma noch lebte, diesen Kontakt liebevoll gepflegt. Barbara hat ihren Kindern  „Sicherheit“ und „Vertrauen“ gegeben, war immer da, wenn sie gebraucht wurde und wörtlich konnten die beiden Töchter,  Susanne und Stephanie, immer „100 Prozent“ auf sie bauen. Das galt auch im Umgang mit den beiden Frauen ihrer Töchter.

Und ich kann aus eigenem Erleben hinzufügen, die Enkel waren Barbaras besonderes Glück in den letzten Jahren.  Wir – das sind außer mir noch Pfarrer Gregor Hohberg und Imam Kadir Sanci, beide auch hier heute –wurden am Rande der Präsidiums- oder Siftungsratssitzungen des HOUSE OF ONE mit den aktuellen Fotos und Lebensfortschritten der Enkel auf dem Laufenden gehalten. In einem von Sharon Adler etwa vor einem Jahr geführten, sehr beeindruckenden Interview, das auf der Seite der Bundeszentrale für politische Bildung leicht zu finden ist und ich zur Lektüre empfehle, gab Barbara zum HOUSE OF ONE zu Protokoll: „Der Dialog zwischen Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen lag mir schon immer am Herzen.“

Zurück zu Barbaras beruflichen Tätigkeiten:

Nach ihrer Referendarzeit war sie Studienrätin, Oberstudienräten und Studiendirektorin am Gymnasium, erst in Köln dann im Bergisch Gladbach.

Und um als Jüdin in einer christlich geprägten Umwelt zu leben, brauchte Barbara? Mut!

„Ich gebiete Dir also stark und fest zu sein

Sei mutig, - wörtlich zage nicht -

und sei nicht bange,

denn mit Dir ist der Ewige, Dein Gott, überall, wo Du gehest.“

Als Barbaras Mann, Werner, dann beruflich in Berlin landete und eine Zeit des Pendelns zwischen NRW und Berlin begann, war es ihr Stellvertreter in der Schule, der sie auf eine Stellenausschreibung in Berlin aufmerksam machte. Es war die Position der Direktorin des Jüdischen Oberschule – und in Barbaras eigenen Worten war diese Schule das Glück ihres Lebens. Barbara sagte im schon zitierten Interview zu dieser Schule, an der sie von 2002 bis 2014 als Direktorien wirkte: „Ich habe mich hier vom ersten Tag bis zu meiner Pensionierung sehr wohl gefühlt.“

Neben ihrer Tätigkeit als Schuldirektorin war Barbara auch Mitglied des Bildungsausschusses der Jüdischen Gemeinde zu Berlin. Sie war Co-Vorsitzende der gemeinsamen AG des Zentralrats der Juden in Deutschland und der Kultusministerkonferenz zur Vermittlung des Judentums im Schulunterricht. Der langjährige Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Dr. Gideon Joffe, der hier unter uns ist, hat die großen Verdienste von Barbara Witting für die jüdische Oberschule gewürdigt.

Präsidium, Stiftungsrat, das Stiftungsteam und alle, die am HOUSE OF ONE mitwirken, trauern um Barbara Witting.

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