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Mittwoch, 18. Nov. 2020

„Die Peace Cathedral ist einzigartig in Georgien“

Bischof Ilia Osephashvili, ein Vermittler für Frieden zwischen den Religionen im Südkaukasus, ist am 11. November 2020 zum Projektbotschafter des House of One in Georgien berufen worden. Der Geistliche der Evanglisch-Baptistischen Kirche leitet seit 2015 die Peace Academy (Friedensakademie) in Tblisi, die Begegnungen zwischen jesidischen, christlichen und moslemischen Kindern organisiert.

 

Lieber Bischof Ilia, wir freuen uns, Sie als weiteren Botschafter des House of One in Georgien willkommen heißen zu dürfen.

Für mich ist das eine große Ehre, für die Versöhnung zwischen den Religionen noch mehr Kraft und Zeit zu investieren. Wir können sehr viel voneinander lernen und einander ermutigen.

 

Versöhnung tut Not. Die Situation ist in der ganzen Welt zur Zeit sehr angespannt.

Ja, auch in unserer Region haben viele Menschen ihr Leben verloren durch diesen Krieg zwischen Armenien und Aserbeidschan um Berg-Karabach. Es gab viele Missverständnisse und Konflikte. Deswegen brauchen wir Friedensanstöße, um die Versöhnung weiter voranzutreiben und zu unterstützen.

 

Diese schlichtende Funktion, die Sie und Bischof Malkhaz nicht zuletzt mit ihren Friedensgebeten während des Krieges ausüben, ist eine sehr wichtige Arbeit. Wie schwierig war es, die unterschiedlichen Religionsvertreterinnen und –vertreter zusammenzubringen?

Als der Krieg vor fast zwei Monaten anfing, haben wir eine aserbaidschanische Scheichs und Priester aus der armenisch-apostolischen Kirche eingeladen. Man konnte sofort die Kluft zwischen diesen Menschen spüren. Sie wollten nicht miteinander sprechen – und dass, obwohl wir in Georgien sind und nicht direkt im benachbarten Aserbeidschan oder Armenien, die sich gegenseitig bekämpfen. Aber wir haben viel Erfahrung mit dieser Arbeit. Die Menschen müssen zusammenkommen und anfangen, miteinander zu sprechen. Dann bricht das Eis. Diesen Prozess des Austauschs müssen wir fördern und unterstützen, überall auf der Welt.

 

Wie steht es mit der Arbeit der Peace Academy, die Sie in Tbilisi leiten?

Leider hat Corona die Umsetzung unserer Pläne in diesem Jahr verhindert. Normalerweise laden wir christliche, jesidische oder muslimische Kinder aus dem ganzen Land nach Tbilisi ein, wo wir verschiedene Aktivitäten mit ihnen planen. Die Coronasituation ist katastrophal. Zwar ist es nicht verboten, Kinder zusammenzubringen, aber wir sind vorsichtig. Zudem ist es nicht so einfach, aus entlegenen Orten nach Tbilisi zu reisen. Wir haben uns daher erst einmal nur via Zoom getroffen. Die Kinder waren begeistert, einander zu sehen. Wir versuchen in Kontakt zu bleiben, auch über Facebook, um zu hören, wie es den Kindern geht, was sie brauchen. In manchen Städten sind die Schulen wegen Corona geschlossen.

 

Wie wird das Angebot der Peace Academy angenommen?

Unser Projekt ist inzwischen recht bekannt. Wir bekommen viel positive Resonanz, besonders von muslimischer Seite. Vor Corona haben wir Ausflüge mit unseren Kindern in verschiedene Regionen gemacht. Viele Eltern und Großeltern haben uns herzlich gedankt und gesagt, alle Kinder in ihren Dörfern träumen, an diesem Projekt teilnehmen zu können. Die Kinder sind unsere kleinen Friedensbotschafter in den Dörfern und Städten.

 

Um was geht es in dem Projekt?

Vorurteile und Missverständnisse sollen durch die Begegnungen und das Kennenlernen abgebaut werden. Das funktioniert ganz wunderbar. Die Kinder fühlen sich nach einiger Zeit wie echte Freunde. Sie wissen genau, wer Christ, wer Muslim oder wer Jeside ist, aber das ist nicht wichtig. Sie schätzen und lieben sich, so wie sie sind. Diesen Geist verbreiten sie auch an ihren Wohnorten und so langsam im ganzen Land. Leider ist die Zahl der Plätze in unserem Projekt sehr begrenzt. Wir können jeweils nur 30 Kinder aufnehmen.

 

Haben Sie ein Beispiel für das Miteinander unter den Kindern?

Mir fällt da ein Beispiel von einem jesidischen Mädchen ein. Die Jesiden haben ihre eigenen Traditionen, auch was die Gebete angeht. Das jesidische Mädchen wollte beten und brauchte dafür eine besondere Vorbereitung. Es war sehr interessant zu beobachten, wie die christlichen und muslimischen Kinder ihr geholfen haben, damit sie ihr Gebet ihrer Tradition gemäß halten kann. Das ist wunderbar. Und diese Botschaft des friedlichen Miteinanders verbreitet sich langsam. Die Kinder erzählen das ihren Freunden, Nachbarn, Eltern.

 

Gibt es ähnlich interreligiös arbeitende Organisationen wie Ihre Peace Academy?

Es gibt zum Beispiel eine von der Regierung eingerichtete Ombudsstelle. Diese Organisation bringt Religionsführer zusammen, die sich dann im Dialog versuchen. Das ist eine andere Ebene als unser Projekt.

 

Wie ist die Situation nach den Parlamentswahlen in Georgien?

Die Situation ist angespannt, nicht nur in Tbilisi. Die Gesellschaft ist gespalten. Die führende Partei „Georgischer Traum“ hat die Wahl im Oktober gewonnen. Die Opposition protestiert und spricht von Wahlfälschung. Es gibt so viel Hass im Umgang miteinander, Streit und Verleumdung. Das ist manchmal unerträglich und schlecht für das ganze Land.

 

In Tbilisi haben Sie und Bischof Malkhaz ein weiteres Projekt, die Peace Cathedral.

In der Peace Cathedral bauen wir sozusagen das House of One. Unter dem Dach der bereits bestehenden Kathedrale bauen wir eine Moschee und eine Synagoge. Ein Haus für die monotheistischen Religionen. Wir sind alle Geschwister, weil wir eine gemeinsame Wurzel haben. Natürlich haben wir nicht viel Platz. Wir versuchen trotzdem, diese zwei zusätzlichen Heiligtümer aufzubauen. Das ist einzigartig in Georgien.

 

Wie weit sind die Bauarbeiten?

Die Moschee ist fast fertig. Momentan müssen wir erst wieder Gelder sammeln, Bischof Malkhaz ist sehr darum bemüht, Unterstützer zu finden, gläubige Menschen, die für den sakralen Raum der je anderen Religion eine Spende geben.

 

Wird es einen vierten Raum geben wie im House of One in Berlin?

Ja, über der Moschee. Dort werden wir Treffen organisieren oder auch multireligiöse Gottesdienste feiern.

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